Archiv 2004



Herbst 1989: Tausende Bürger der DDR verlassen über Ungarn ihren Staat. Immer mehr fordern auf Demonstrationen Reisefreiheit. Erst langsam, später hektisch, beginnt das Politbüro der SED zu reagieren. Ein neues Reisegesetz muss her.

Gerhard Lauter, damals “Hauptabteilungsleiter für Pass- und Meldewesen” wurde mit der Ausarbeitung beauftragt. Doch statt des neuen Reisegesetzes verkündete Günter Schabowski am 9. November 1989 die "grenzenlose Reisefreiheit". Eine Fehlinformation. Aber der "Mauerfall" war nicht mehr aufzuhalten.
15 Jahre nach der Wende: Warum ein Irrtum zum Mauerfall führte, mit Gerhard Lauter, Leipzig

2. November 2004, Saarbrücken, Galerie im Filmhaus: “Wir wollten die DDR erhalten”, so eine Aussage eines Mannes, der gewissermaßen und unfreiwillig eine Schlüsselrolle bei Untergang der selbigen hatten. Gerhard Lauter, 1989 hoher Offizier im Innenministerium der DDR und verantwortlich für das Pass- und Meldewesen, bekommt den Auftrag, ein neues Reisegesetz und vor allen dessen Durchführungsbestimmungen zu erarbeiten. Klingt heute wenig späktakulär. Vor 15 Jahren war das anders. Die DDR stand förmlich mit dem Rücken an der Wand. Täglich verließen tausende die Republik über die sozialistischen Bruderländer gen Westen. Jeder Woche kamen mehr Menschen zu den Montagsdemos. Politisch und vor allem wirtschaftlich drohte der Bankrott und Hilfe aus Moskau war nicht zu erkennen.

Wenigstens beim wichtigen Thema “Westreisen” sollte eine Lösung gefunden werden. Und die Mitarbeiter rund um Lauter, sowie Vertreter anderer Ministerien hatten die Lösung (die Verordnung) schon in der Schublade. Was schnell entstand und in kürzester Zeit und dennoch mühsam den Segen der Staats- und Parteiführung errungen hatte, war dann mit einem Satz und einer verdutzten Nachfrage überflüssig geworden. Der Ausgang ist bekannt.

Dass der Untergang der DDR am 9. November friedlich verlief, war ein historisches Novum. Bei allen Defiziten und Ungerechtigkeiten was der DDR-Führung zur Last gelegt werden kann, bleibt dieses Novum ein Verdienst der Funktionsträger um Gerhard Lauter, der Kommandeure von Grenztruppen, Volksarmee und Staatssicherheit. Alle militärischen Einheiten waren am 9./10. November 1989 einsatzbereit und bis an die Zähne bewaffnet. Und die Befehle waren endeutig. Dennoch viel nicht ein Schuss.

Ich stellte dem Referent die Frage, wann wäre es denn noch möglich gewesen die DDR zu retten, wenn es am 9. November 1989 schon zu spät war? Die Antwort kommt kurz und eindeutig: “Gar nicht. Bis 1986 wären Reformen durch die Sowjetunion verhindert worden. Und ab 1986 (Gorbatschow wurde Staats- und Parteichef in der SU) war die DDR hofnunglos wirtschaftlich am Ende. Einige Wirtschaftdaten waren schlechte als die von Rumänien”, so der Refernet.

Im Herbst 2004 sendeten unzählige Fernseh- und Radiostationen Beiträge anläßlich des 15 Jahrestages des Mauerfalls aus. Gorbatschow, Bush, Kohl, Krenz und Schabowski flimmerten auf allen Kanälen. Doch bei allem was ich sehen und hören konnte war nichts so spannend, authentisch und überzeugend wie der Beitrag von Gerhard Lauter im Saarbrücker Filmhaus.

Thomas Lutze,
Jahrgang 1969, bis 1991 wohnhaft in Leipzig.