"Ich sechzige" Editorial
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"Ich sechzige" Auftaktveranstaltung




































Die Volksbefragung von 1955
Vorgeschichte - Ablauf - Folge
von Dr. Luitwin Bies

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Wir sehen dem 60. Jahrestag der Wahl der Gesetzgebenden Versammlung, dem Landtag und der Konstituierung des Saarlandes entgegen. In der Staatskanzlei, bei der Saarbrücker Zeitung und dem Saarländischen Rundfunk hat man eine andere Zeitrechnung. Dort ist man dabei, zu "fünfzigen", was immer damit bezweckt werden soll. Wir veröffentlichen hier einen Beitrag, der im Jahre 2005 im Blick auf das Plebiszit vom 23. Oktober 1955 und dessen Vorgeschichte verfasst worden ist.

Am 21. März 1945 war die Saarregion von amerikanischen Truppen besetzt, die Kriegshandlungen beendet. Das Ausmaß der Menschenverluste und der materiellen Schäden kann hier nicht dargestellt werden. Es war eine Schreckensbilanz, die gezogen werden musste. Es war eine Zeit politischer Orientierungslosigkeit. Die Menschen wussten nicht, wie es weitergehen würde.

Im Juli wurden die amerikanischen Besatzungstruppen durch französische abgelöst. Mit dem Potsdamer Abkommen der drei Hauptmächte der Alliierten von August 1945 waren die Leitlinien für die deutsche Nachkriegsentwicklung vorgegeben. Frankreich wurde aus der US-Zone dann eine eigene bewilligt, denn Frankreich war nicht in Potsdam vertreten.

Daraus separierte Frankreich schrittweise das Saarland, wie es ab 1947 förmlich entstand. Schrittweise das heißt, dass es erst kein einheitliches geschlossenes Saar-Konzept der herrschenden Kreise Frankreichs und seiner Regierung gab. Annexion oder wirtschaftlicher Anschluss? Da ging es um Fragen der Entschädigung oder Ausgleichung von Kriegsverlusten, um Fragen der Einschätzung der eigenen Wirtschaftsmacht und der Potentiale, über die künftig Deutschland verfügen sollte, und um die Hinausschiebung der Grenze und der damit verbundenen Sicherheitsfrage.

1946 waren Frankreichs Forderungen bekannt geworden. Die Neue SZ informierte am 9. April 1946 über eine Rede des französischen Außenministers Bidault, in der er Frankreichs Saarpolitik so definiert habe:

"1. Die Saargruben müssen wieder französischer Besitz werden,
2. das Saargebiet muss in das französische Wirtschafts- und Finanzsystem eingegliedert werden,
3. das Saargebiet soll der Zuständigkeit der Berliner Kontrollkommission nicht mehr unterstehen,
4. die französische Armee wird an der Grenze stationiert bleiben,
5. Frankreich wird eine dauernde Kontrolle über die Organisation dieses Gebietes vornehmen und wird alle Maßnahmen ergreifen, um die Verwaltung von der des Rheinlandes völlig zu trennen,
6. das endgültige Statut wird später festgelegt."


Frankreich orientierte das von einer Militärregierung besetzte Land Zug um Zug unter seinen staatlichen Einfluss. Dabei spielte das MRS, die Bewegung für den Anschluss der Saar an Frankreich eine gewisse Rolle.
Die Gewerkschaften waren 1945/1946 gegründet worden, die Parteien wurden ab Ende 1945/Anfang 1946 zugelassen: die Christliche Volkspartei, CVP, die Sozialdemokratische Partei Saar, SPS, die Kommunistische Partei, KP, und später die Demokratische Partei Saar, DPS, die aber später - nach ihrem Schwenk von pro- auf contra-Anschluss an Frankreich-Politik verboten wurde.

Johannes Hoffmann zitiert in seinen Erinnerungen zwei Passagen aus Reden des damaligen Militärgouverneurs Gilbert Grandval, die sowohl das Ziel verdeutlichen wie auch den erpresserischen Druck, den er auf die Saarländer ausübte: Gouverneur Grandval sagte am 17. März 1946 in Saarbrücken unter anderem:
"Jedes Verbrechen verdient seine Strafe, und die Strafe der Naziverbrechen betrifft außer den Zerstörungen eures Landes die Wiedergutmachung; und nichts lässt darauf schließen, dass die vom Kriege verschont gebliebenen Fabriken dieser Drohung entgehen. Hier hat nun das Saarland eine Rettungsmöglichkeit."

Grandval habe in einer Rede vom 2. Mai 1946 ausgeführt: "Man dürfe nicht glauben, dass es bloßes Gerede sei, wenn man sage, die saarländische Industrie sei in Gefahr. Frankreich brauche solche Ausflüchte nicht. Die hauptsächlichsten Werke seien in ihrer Tätigkeit tatsächlich äußerst bedroht! Wenn Frankreich einige Werke des Saargebietes haben wolle, brauche es sie nur zu nehmen. Wenn es das aber nicht tue, so sei es das menschliche Frankreich, das diese Werke nicht nehme... Das Saargebiet sei auf Gedeih und Verderb mit dem benachbarten Elsass-Lothringen verbunden. Dieses brauche die saarländische Kohle und das Saargebiet die lothringischen Erze und Lebensmittel."
Wie reagierten nun die damals im Saarland allein existenten Parteien CVP, SPS, KP? (Die DPS entstand erst später und wurde schließlich 1951 auch verboten).

Am 6. April 1946 erklärte die SPS, sie werde "auch einer wirtschaftlichen Vereinigung der Saar mit dem französischen Wirtschaftsgebiet keine Schwierigkeiten in den Weg legen, wenn damit die Rettung unserer saarländischen Industrie vor Zerstörung und Abbau verbunden ist."

Man stattete diese Stellungnahme allerdings mit einer Vision aus, in dem man zusätzlich erklärte: "Die sozialdemokratische Partei erblickt die Lösung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme, die sich nach Beendigung des zweiten Weltkrieges den Völkern Europas stellen, in der Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa. Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung drängt zum politischen Zusammenschluss aller europäischen Nationen. Das neue Europa wird umso mehr Aussicht auf Bestand haben, als es gewillt sein wird, sich eine demokratische und sozialistische Grundlage zu geben."

Am 14. April 1946 nahm Peter Zimmer, SPS, Stellung zu dem Problemen und führte aus:
"Ein wirtschaftlicher Anschluss der Saar an Frankreich würde also
1. den Bewohnern des Gebietes ihre Existenz und damit Arbeit und Brot sichern;
2. dem Reich erhebliche Abgaben von Nahrungsmitteln und Versorgungsgütern an
dieses Gebiet ersparen;
3. die industrielle Produktion der gesamtdeutschen Wirtschaft im Verhältnis der
ausscheidenden Saarindustrie erhöhen;
4. zur Sicherung der Ostgrenze Frankreichs einen wertvollen Beitrag leisten und
deshalb
5. ein schnelleres Entgegenkommen Frankreichs gegenüber Deutschland zur Lösung
der gesamtdeutschen Frage ermöglichen;
6. die friedliche Zusammenarbeit Frankreichs mit Deutschland im Hinblick auf eine europäische Neuordnung außerordentlich fördern."

Auf ihrem ersten Parteitag nach 1935, im Juli 1946 erneuerte die SPS diese Stellungnahme, erklärte aber auch: "Das politische Ziel der wiedererstandenen Sozialdemokratischen Partei bleibt, wie in der Vergangenheit, die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung als einzige Garantie für die Wohlfahrt der Schaffenden und die Erhaltung des Friedens. Im Hinblick auf dieses Ziel gibt der Parteitag dem Wunsche Ausdruck, durch geeignete Maßnahmen nicht nur jeden nationalsozialistischen Einfluss in Staat und Wirtschaft auszuschalten, sondern auch die Vorbereitungen zur Sozialisierung der Schwereisenindustrie, des Bergbaus, der Eisenbahn, der sonstigen Verkehrsbetriebe, der Versorgungsbetriebe sowie der Versicherungsgesellschaften und Banken zu treffen."

Überlegungen in dieser Richtung finden wir später in Artikeln der Saarverfassung, die der Wirtschafts- und Sozialordnung gewidmet sind. Übrigens sind sie auch heute noch gültig. Und - Sozialisierungsartikel gab es auch z.B. in der Hessischen Verfassung und in der von Nordrhein-Westfalen.
Zurück zur Parteienhaltung in der Saarfrage.

Johannes Hoffmanns CVP erklärte in einer Entschließung am 16.4.1946:
"Die Partei unterstützt alle Bestrebungen, die darauf abzielen, unserer Saarheimat und ihren Menschen die Lebensgrundlage zu erhalten. Sie bejaht deshalb die wirtschaftliche Eingliederung des Saargebietes in das französische Wirtschaftssystem in der bestimmten Erwartung, dass die kulturellen Belange (deutsche Sprache, christliche deutsche Schule) und die Eigenart unserer Bevölkerung respektiert werden."

Sie fügt auch die Erwartung an, dass die Regelung der Saarfrage "der erste Schritt auf dem Wege der Neuordnung Europas sein (solle) die zum Ziele hat, die Vereinigten Staaten von Europa zu schaffen..."

Im Mai 1946 forderte auch die Industrie und Handelskammer den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich.

Die Kommunistische Partei veröffentlichte am 14. April 1946 eine Erklärung zur Saarfrage, in der es hieß: "Die Kommunistische Partei kann in Konsequenz ihres geschichtlichen Kampfes keineswegs ihre prinzipielle Stellung verleugnen und die Grundlage verlassen, auf der sie die ganzen Jahre hindurch gegen das hitlerische System für Deutschlands Frieden und Neugestaltung gekämpft hat. Sie wird infolgedessen an ihrer sachlich begründeten Überzeugung festhalten, dass ein Anschluss des Saargebietes an Frankreich im Interesse der Bevölkerung und insbesondere der werktätigen Massen weder notwendig noch zweckmäßig oder wünschenswert wäre, gleichgültig ob es sich um einen wirtschaftlichen oder politischen Anschluss handelt."

Damit waren die Positionen geklärt. Es wurden an der Saar durch die Militärregierung bzw. auf ihre Anordnung Tatsachen geschaffen, die das Land in die von Frankreich gewünschte Richtung lenkten.
Dazu gehörte z.B. die Abspaltung von der deutschen Währung durch Einführung der "Saarmark" am 16.6.1947.
Eine Kommission wurde eingesetzt, die einen Verfassungsentwurf auszuarbeiten hatte. Der hauptsächliche Streitpunkt waren die Festlegungen in der Präambel und darauf basierende weitere Passagen in der Verfassung.

Dort hieß es: "Das Volk an der Saar, berufen, nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches sein Gemeinschaftsleben kulturell, politisch, wirtschaftlich und sozial neu zu gestalten, durchdrungen von der Erkenntnis, dass sein Bestand und seine Entwicklung durch die organische Einordnung des Saarlandes in den Wirtschaftsbereich der Französischen Republik gesichert werden können, vertrauend auf ein internationales Statut, das die Grundlage für ein Eigenleben und seinen Wiederaufstieg festlegen wird, gründet seine Zukunft auf den wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes an die Französische Republik und die Währungs- und Zolleinheit mit ihr, die einschließen:
- die politische Unabhängigkeit des Saarlandes vom Deutschen Reich,
- die Landesverteidigung und die Vertretung der saarländischen Interessen im Ausland durch die Französische Republik,
- die Anwendung der französischen Zoll- und Währungsgesetze im Saarland,
- die Bestellung eines Vertreters der Regierung der französischen Republik mit Verordnungsrecht zur SichersteIlung der Zoll- und Währungseinheit und einer Aufsichtsbefugnis, um die Beobachtung des Status zu garantieren,
- eine Organisation des Justizwesens, die die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Rahmen des Statuts gewährleistet."

Die Verfassung wurde dem Volk nicht zur Entscheidung in einer Abstimmung vorgelegt (wie übrigens das GG auch nicht) sondern sollte von der Gesetzgebenden Versammlung, dem noch zu wählenden Landtag verabschiedet werden.
Später argumentierten die Gegner des Anschlusses an Frankreich, der Bevölkerung sei nicht bekannt gewesen, was in der Verfassung und besonders in der Präambel dringestanden habe. Johannes Hoffmann ließ dies nicht gelten.

Er interpretierte in seinen Erinnerungen "Das Ziel war Europa" später die Wahlen von Oktober 1947 als eine Art Plebiszit. Er schrieb: "Die Kommunistische Partei war Gegner der Trennung von Deutschland. Ihre führenden Köpfe - Nickolay, Bäsel und Hoppe - hatten ihre ganze Agitation auf einer Ablehnung vor allem der Präambel der Saarverfassung aufgebaut. In fast jedem Ort hatte damals die KP eine Parteigruppe, und in allen ihren Veranstaltungen rief sie zum Kampf gegen die Präambel auf. Damit war gerade dieser Verfassungsbestandteil in den einzelnen Ortschaften und Betrieben immer wieder zur Erörterung gestellt. Schon dadurch waren die anderen Parteien gezwungen, in ihren Versammlungen und Kundgebungen die Präambel zu erläutern und zu begründen. Das Problem der Trennung von Deutschland stand so im Vordergrund, dass es todsicher von irgendeinem Versammlungsteilnehmer angeschnitten wurde und behandelt werden musste.

Jeder Wähler wusste, dass es um mehr ging als nur darum, Abgeordnete zu wählen. Jedem Wähler war bekannt, dass gleichzeitig über die Verfassung mit ihrer Präambel entschieden wurde. Man kann deshalb mit Fug und Recht behaupten, dass der quasi plebiszitäre Charakter dieser Wahl keinem Zweifel unterlag." Diese Ansicht stützt auch ein anderer Autor.
Heribert Schwan erwähnt in seiner Arbeit über den "Rundfunk als Instrument der Politik im Saarland 1945 - 1955": "Die KP stellte die Ablehnung der politischen Trennung des Saarlandes von Deutschland und den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes. In 311 Wahlkundgebungen der CVP und 468 der SPS präzisierte man vor allem bei der Auseinandersetzung mit den Kommunisten den Parteienstandpunkt immer wieder."

Das Ergebnis dieser Wahl sah dann so aus:
- Christliche Volkspartei (CVP): 230.082 = 51,2 % der Stimmen, 28 Mandate;
- Sozialdemokratische Partei Saar (SPS): 147.292 = 32,8 %,17 Mandate;
- Kommunistische Partei Saar (KPS): 37.936 = 8,4 %, 2 Mandate;
- Demokratische Partei Saar (DPS): 34.255 = 7,6 %, 3 Mandate.

Im November stimmten die Abgeordneten von CVP, SPS und DPS für, die Abgeordneten der Kommunistischen Partei gegen die Verfassung der Lostrennung.

Es bleibt festzustellen, dass die Saarbevölkerung unter bestimmten Bedingungen, die gewiss mit der Entscheidung von 1935 und den Folgen, mit den Ängsten. und der Perspektivlosigkeit der Jahre 1945 - 1947, mit Hunger und Verlockungen zusammenhingen, eine Entscheidung gegen den Verbleib im deutschen Staatsverband getroffen hatte.

Die ersten Jahre nach 1945 waren Jahre harter Arbeit, Jahre des wirtschaftlichen Aufschwungs. 1951 arbeiteten im Saarbergbau 67386 Beschäftigte, in der Eisen- und Stahlproduktion 42147, im Bau- und Ausbaugewerbe 32398 Menschen - um hier einige Zahlen zu nennen.

Es wurde eine Sozialgesetzgebung auf- und ausgebaut, die Beachtliches aufzuweisen hatte und sicherte, dass die Bevölkerung an den wirtschaftlichen Leistungen partizipieren konnte. Später wurden diese Dinge als "soziale Errungenschaften" bezeichnet und waren Streitpunkte bei der Eingliederung in die Bundesrepublik nach 1957/1959.

So wurde die Politik der Anschlussparteien nachvollziehbar legitimiert. Aber zugleich wurden durch Konventionen die Bindungen an Frankreich immer fester gezurrt.

In der Politik und in der Geschichtsschreibung wird das mehrheitliche Votum der Saarländer für den Anschluss an Frankreich im Jahre 1947 weniger oder gar nicht thematisiert. Noch bei der Landtagswahl am 30. November 1952 wurde den Anschluss-Parteien CVP und SPS die Massenbasis und damit doch auch der politische Kurs bestätigt. Es erhielten:
- Die CVP 239.421 Stimmen = 54,9 % und 25 Mandate.
- Die SPS: 141.883 Stimmen = 32,4 % und 17 Mandate
- Eine Demokratische Volkspartei hatte 14.744 Stimmen = 3 % erhalten.
- Die KP Saar erhielt 41.410 Stimmen = 9 % und 4 Mandate.

Und doch hatte sich gegenüber 1947 Einiges verändert:
Den beginnenden Wandel in der Stimmung der Bevölkerung an der Saar kann man außer am Zuwachs der KP-Stimmen - auch an der Zahl der damals so genannten "Weißwähler" erkennen. Es hatten sich andere oppositionelle Parteien mit kräftiger Unterstützung von Jakob Kaisers "Gesamtdeutschem" Ministerium gebildet, die zwar keine Zulassung erhalten hatten, somit nicht kandidieren konnten und die aufriefen, zur Wahl zu gehen und weiß zu wählen, d.h. den Stimmzettel ohne Kennzeichen in die Urne zu werfen. Der Bundestag, d.h. die Bundestagsmehrheit rief am 18. November 1952 auf, die Saarbevölkerung möge sich bei der Wahl enthalten oder ungültig, also "weiß" wählen.

Die Wahlbeteiligung lag bei 93,1 %. 141.878 Stimmen = 24,5 % waren ungültig.

Für den weiteren Prozess der Ablösung der Loyalitätsbasis der Pro-Frankreich-Parteien gibt es vielfältige Faktoren:
Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland war im Bewusstsein vieler Saarländer erneut ein "Vaterland" entstanden, das zunehmend an Attraktivität gewann. Deutschland wurde wieder wer im Konzert der Westmächte. So wurde nach wie vor in nationalstaatlichen Kategorien gedacht. (Übrigens: in Frankreich nicht minder.)

Die DDR war dagegen weit weg, sie war "sowjetisch besetzte Zone". Ihre Deutschland-Konzeption entsprach damals zwar den nationalen Interessen (einheitliches, neutrales Gesamtdeutschland), war aber wegen des ständigen "Nein" aus Bonn und des Neins der Westmächte nicht durchsetzbar.

Der Kurs der Remilitarisierung und damit verbundener Westintegration erschien trotz mancher Skepsis in der Zeit des Kalten Krieges und unter antikommunistischem Trommelfeuer als der einzig logische Weg. Andere, auch Nichtkommunisten, also in CVP und SPS, hatten geradezu einen Horror vor neuem deutschem Zugang zu militärischer Größe. Aber dieser (CVP und SPS) Kurs auf Bindung an Frankreich wurde wegen einer Reihe anderer Faktoren von immer stärkerer Skepsis begleitet.

Frankreich war auf eine Weise gegen die Befreiungsbewegung und das Volk von Vietnam engagiert, die hier keinerlei Zustimmung finden konnte. Frankreich war ferner Kolonialmacht in Nordafrika. Frankreichs Militär- und Kriegskurs brachte entsprechende soziale Belastungen im Innern, hohe Teuerungsraten, eine Zunahme der Labilität des Parteien- und Regierungssystems. Zudem war die Regierungspraxis an der Saar von verschiedensten Verboten, undemokratischen Einschränkungen und Polizeimaßnahmen begleitet. Schikanen und Zollkontrollen an den Grenzübergängen waren tägliche Praxis.

Erinnert sei hier an die Zensur und an die Verbote der KP-Zeitung "Neue Zeit". Zwischen dem 25. Mai und dem 27. September 1947 waren 84 Artikel völlig gestrichen worden und 173 teilweise. 1947 wurden zwei Ausgaben der Zeitung ganz verboten. 1948 wurden acht Verbote für die Dauer von insgesamt dreieinhalb Monaten verhängt. 1949 waren es neun Verbote über insgesamt sieben Wochen. 1950 wurden 17 Verbote mit einer Dauer über fünfeinhalb Monaten über die Zeitung verhängt. 1951 waren es acht Verbote über acht Monate, 1952 acht Verbote über fünf Monate und neun Tage, 1953 zehn Verbote für insgesamt sechs Monate, 1954 vier Verbote über drei Monate und auch 1955 noch zwei Verbote für die Dauer von sechs Wochen.

Als am 1. Mai 1950 bei der Gewerkschaftsdemonstration neben den roten Fahnen und den Transparenten auch von kommunistischen Gewerkschaftern die schwarz-rot-goldene Fahne der deutschen Republik und von FDJlern die blaue Fahne, das Sonnenbanner mitgetragen wurden, kam es zu massiven Polizei-Einsätzen. Berittene Polizei und das berüchtigte Saarbataillon attackierten die Demonstranten, schlugen wild drauflos.

Es kam zu einem Prozess gegen 13 Personen, unter ihnen gegen den KP-Vorsitzenden Fritz Nickolay und gegen den FDJ-Vorsitzenden Heinz Merkel. Gefängnisstrafen wurden verhängt. Ausweisungen, die es nach 1945 zuerst gegen belastete Nazis und deren Familien gegeben hatten, wurden auch gegen kommunistische Persönlichkeiten verhängt, z.B. gegen den Nachkriegsbürgermeister von Dudweiler, August Hey, gegen den Vorsitzenden des IV-Bergbau Oskar Müller, gegen den zweiten Vorsitzenden der Einheitsgewerkschaft Paul Obermeier und gegen andere.

Gegen die KP und gegen die FDJ wurden Versammlungsverbote ausgesprochen. Flugblätter wurden beschlagnahmt, Verteiler festgenommen. Hausdurchsuchungen waren an der Tagsordnung.

Am 26. Mai 1952 hatten Bundeskanzler Adenauer und die Außenminister der USA, Großbritanniens und Frankreich einen "Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten", Generalvertrag genannt und weitere Zusatzverträge unterzeichnet. Am 27. Mai 1952 folgten die Unterschriften unter ein Vertragswerk, das "Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" (EVG) hieß. Zu ihr gehörten neben der Bundesrepublik Deutschland auch Frankreich, Italien, Holland, Belgien und Luxemburg.

Mit diesem Vertragswerk wurde die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland zementiert und das Territorium des Landes, sowie seine wirtschaftlichen, finanziellen und später die militärischen Potentiale der NATO-Doktrin des "Roll back" zur Verfügung gestellt.
Synchron mit diesem Prozess muss man die ständige Ablehnung von Initiativen der UdSSR und auch der DDR sehen, die auf die Schaffung eines einheitlichen, aber neutralen Deutschland abzielten.

Der EVG-Vertrag scheiterte allerdings in der französischen Nationalversammlung, die am 30. August 1954 eine Ratifizierung ablehnte. Es kam dann zu weiteren Verhandlungen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland.

Im September 1954 fand in London eine Neunmächtekonferenz statt. Hier wurden weitere Maßnahmen zur Einbeziehung der Bundesrepublik in die Militärallianz NATO vereinbart.

In den Tagen zwischen dem 19. und dem 23. Oktober 1954 wurden in verschiedenen Konferenzen in Paris die so genannten Pariser Verträge vereinbart, zu denen auch das so genannte .Europäische Saarstatut" gehörte. Die "SZ" triumphierte mit einem Extrablatt: "Des Saarlands Wunsch erfüllt. Wir haben unser Europäisches Statut."

Ende Dezember 1954 ratifizierte die Nationalversammlung in Paris das Vertragswerk.

Am 27. Februar 1955 wurden diese Verträge gegen die Stimmen der Opposition im Bundestag ratifiziert.

Das Abkommen über das Saarstatut sah vor, dass ein Plebiszit der Saarbevölkerung über Annahme oder Ablehnung zu entscheiden habe. Die Volksabstimmung wurde auf den 23. Oktober 1955 terminiert.
Drei Monate vorher waren die Parteien und Zeitungen ungehindert zuzulassen.

Es formierten sich dann auch DPS (später DPS-FDP), DSP (später SPD) und die CDU. Sie hatten 1952 eine legale Gründung versucht, waren aber nicht zugelassen worden. Sie gaben auch eigene Zeitungen heraus, die "Deutsche Saar", die "Saarbrücker Allgemeine Zeitung" und die "Neuesten Nachrichten".

Nun hatten sich die Parteien festzulegen, wie sie sich zum Statut verhalten wollten. CVP und SPS entschieden sich für die Annahme des Statuts. In Übereinstimmung mit der Haltung der Mutterpartei in Bonn bekannte sich die DSP zu einem Nein, d.h. zur Ablehnung.

DPS und CDU wogen erst ab, ob es nicht sicherer sei, über eine Annahme des Status und die drei Monate danach vorgesehene Landtags-Neuwahl eine Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse anzustreben und später eine Vereinigung mit Deutschland voranzutreiben. Aber es war eindeutig festgelegt, dass sich die Regierungen Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland verpflichten, "das Statut der Saar bis zum Abschluss eines Friedensvertrages aufrechtzuerhalten und zu garantieren." Also entschlossen sich DPS und CDU, für ein Nein zu plädieren und zu votieren. Das bedeutete zugleich, sich gegen Adenauer zu entscheiden, denn er hatte ja das Vertragswerk ausgehandelt und aufgefordert, es mit einer Ja-Stimme zu akzeptieren.
Die Kommunisten hatten sich als erste politische Partei auf das Nein festgelegt. Was waren ihre Motive? Ging es ihr einfach um "die nationale Frage"? Wie verstand sie, wie die anderen Parteien die nationale Frage?

Schaut man sich die Aussagen der Parteien zum Statut im damals stattfinden Abstimmungskampf an, so fällt auf, dass die Argumentation das Statut weitgehend losgelöst aus dem Pariser Vertragswerk behandelt. Grob gesagt, dominiert auf der einen Seite ausschließlich eine .nationale" Auseinandersetzung, die außer der Frage nach der Einheit Deutschlands (worunter der Anschluss an die Bundesrepublik verstanden wurde) keiner1ei Frage nach der Funktion des Saarstatuts im Komplex der Pariser Verträge stellt und keine Frage nach dem Platz eines künftigen einheitlichen Deutschland unter den Völkern Europas und der Welt erhebt. Das erklärt auch, wieso auf mancher Kundgebung des so genannten "Heimatbundes", zu dem sich DPS, CDU und DSP zusammengeschlossen hatten, nicht nur die 3. Strophe aus Hoffmann von Fallerslebens Deutschland-Lied gesungen wurde, sondern nicht selten mit Inbrunst auch dieses "über alles in der Welt".

Von der Betrachtungsweise hob sich sowohl die Sicht der Kommunisten, die ja ebenfalls das Nein zum Statut vertraten, wie auch die Wertung der Ja-Sager Parteien CVP, besonders aber der SPS .ab.

Die Kommunisten sahen in der BRD zwar den größeren deutschen, aber doch nur einen Teilstaat, in welchem abweichend von den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens der Siegennächte, nicht die als grundlegend erkannten Voraussetzungen für Faschismus zerstört, ja die imperialistischen Grundlagen restauriert worden waren. Dazu gehörte ja nicht nur, dass die alten Kriegsverbrecher wieder ihren Besitz in Banken und Industrie innehatten, sondern wo auch belastete Altnazis in exponierten Stellen des Staates eingebaut waren.

Zudem war ja mit dem Kurs auf Westintegration, so genannte Europäische Verteidigungsgemeinschaft, auf NATO-Mitgliedschaft in dieser Hochzeit des kalten Krieges eine Zunahme der Spannungen in Europa, ja eine Verstärkung potentieller Kriegsgefahren verbunden. Und schließlich bedeutete die NATO-Mitgliedschaft ja auf unabsehbare Zeit die Festschreibung der Spaltung Deutschlands auch Europas und eine ziemlich definitive Absage an einen künftigen neutralen Status für Deutschland.

Für die Kommunisten hatte die nationale Frage zuerst einen tiefen friedenspolitischen Inhalt, denn mit der Hoffnung auf ein mehrheitliches Nein zum Saarstatut war die Erwartung verbunden, dass sowohl die gegen das Vertragswerk in Frankreich, wie die in der Bundesrepublik Deutschland opponierenden Kräfte neuen Auftrieb erhielten und möglicherweise der NATO-Beitritt doch noch verhindert werden könnte.
(wie wir wissen, war diese Erwartung irreal.)

In der französischen Nationalversammlung war die Aufnahme der BRD in die NATO mit 289 gegen 251 Stimmen, die Wiederbewaffnung der BRD und die Aufnahme in die WEU mit 287 gegen 260 Stimmen gebilligt worden.
Im Bundestag hatten die Zustimmungsgesetze zu den Pariser Verträgen folgende Stimmenergebnisse:

- das Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes = 324 : 151 - der Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte = 321 : 153
- der Beitritt zur WEU und zur NATO (2 Enthaltungen) = 314 : 157
- das Abkommen über das Saarstatut (9 Enthaltungen) = 264 : 201 Stimmen

Hinzu kam bei der KP die Überlegung, dass die Existenz der DDR und ihre öffentlichen Initiativen für einen neutralen gesamtdeutschen Staat ebenfalls Wirkung zeigen werde.
Wir sehen also an den Abstimmungsergebnissen in der französischen Nationalversammlung und im Deutschen Bundestag, dass durchaus beachtliche Kräfte gegen die Aufnahme der BRD in die NATO und gegen die Wiederbewaffnung waren.

Es ist auch bei den Kräften, die aus geschäftlichen oder anderen Gründen bei Frankreich und in der Wirtschafts-, Währungs- und Zoll-Union mit diesem Land bleiben wollten, zu differenzieren. Da waren die führenden Parteigänger des Regimes Hoffmann und Hectors und viele ihrer Mitstreiter, die auf andere Weise, aus Karriere-Gründen usw. Nutznießer der Anschluss-Politik geworden waren. (Möglicherweise ist da noch zwischen Hoffmann und Hector, dem Innenminister und französischen Staatsangehörigen saarländischer Herkunft zu differenzieren.)

Bei nicht wenigen Saarländern gab es Besorgnisse vor der Entwicklung in der Bundesrepublik.
Militaristische Töne und Ambitionen waren nicht zu überhören. Da gab es jene Militärs, die glaubten, bei einem neuen "Waffengang", wie der Krieg verharmlosend genannt wurde, diesmal die richtigen Partner zu haben. (Und in den USA setzte man ja auch auf die Ostkrieg-erfahrenen deutschen Militärs). Und da waren jene Wirtschaftskreise, die die wirtschaftlichen Potentiale im Westen mit Blick auf einen neuen Krieg addierten. Der Antikommunismus hatte bei den westlichen Alliierten die Anti-Nazi-Positionen verdrängt.

In der Bundesrepublik Deutschland war zudem seit 1951 Antrag auf Verbot der KPD gestellt.

Viele Ja-Sager - und nicht nur sie - waren also in begründeter Sorge vor der Entwicklung in der Bundesrepublik. Deswegen sahen sie größere Sicherheit an der Seite Frankreichs mit dem durch das Statut gewiesenen Weg.
Inzwischen hatte sich aber die Ablehnung des Regimes Hoffmann-Hector, ja der Hass gesteigert, das dort, wo Zuckerbrot nicht ausreichte, die Peitsche schwang. Die Bergarbeiter und ihr Industrieverband Bergbau hatten auf Revierkonferenzen, Delegiertentagen mehrfach ihren Protest, z.B. gegen die Konventionen d.h. vor allem die Grubenkonvention formuliert. Die Einheitsgewerkschaft, also der damalige gewerkschaftliche Dachverband intervenierte mehrfach gegen verschiedene Maßnahmen der Regierung. Der Industrieverband Bergbau wurde verboten, nationale deutsche Regungen wurden unterdrückt. Das autoritäre Regime Hoffmann wurde mehr und mehr abgelehnt. Der Abstimmungskampf wurde mit unerbittlicher Härte von beiden Seiten geführt und von der Seite der NEIN-Sager auf Joho konzentriert.

An einem Beispiel möchte ich die Ängste verdeutlichen, auf die ich oben hingewiesen habe.

In der Folgezeit nach dem Verbot der DPS (1951) hatte diese Partei u. a. einen Klebezettel herausgegeben, der einen drohenden Adler in schwarzer Farbe vor rotem Untergrund zeigte und den Text trug: Trotz Verbot nicht tot! wir kommen wieder'"

Im Abstimmungskampf 1955 war der Klebezettel zu einem Plakat gewachsen und der Text verändert.
Der schwarze Adler auf dem die drei Buchstaben DPS prangten, war nicht weniger drohend und der Text lautete: ..Wir sind wieder da'"

Das forderte bei Antifaschisten Assoziationen heraus an die Drohungen der Jahre 1933 - 1935.

Darauf antwortete die der CVP und SPS nahe stehende "Europa-Bewegung" mit dem Plakat, das einen blassen Adler im Hintergrund zeigt und im Vordergrund den Kopf eines toten Soldaten im Stahlhelm auf einem Schlachtfeld und dem Text: "Sie sind wieder da - die Nationalisten. Nicht mehr da sind 52 Millionen Tote des letzten Krieges'"

Dagegen gab es ein weiteres Plakat der DPS, das die antinazistische und die Antikriegspropaganda von Johannes Hoffmann und Dr. Heinz Braun (SPS) als Hetze gegen Deutschland diffamierte. "Unsere Toten" würden heute von diesen missbraucht.

Wie sahen nun die Kernbestimmungen des Statuts aus? (Auszüge)

- Ein europäischer Kommissar nimmt die Vertretung der Saarinteressen auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung wahr.

- Die Teilnahme der Saar an der europäischen Verteidigung wird durch einen gesonderten Vertrag festgelegt.
- Sobald das Statut durch Volksabstimmung gebilligt ist, kann es bis zum Abschluss eines Friedensvertrages nicht in Frage gestellt werden.

Jede von außen kommende Einmischung, die zum Ziele hat, auf die öffentliche Meinung an der Saar einzuwirken, insbesondere in Form der Beihilfe oder der Unterstützung für politische Parteien, für Vereinigungen oder die Presse, wird untersagt.

- Auf dem Währungsgebiet bleibt die derzeitige Regelung bis zur Schaffung einer Währung europäischen Charakters in Kraft.

Die fortschreitende Erweiterung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Saar darf die französisch-saarländische Währungsunion und die Durchführung des französisch-saarländischen Abkommens über die wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht in Gefahr bringen.

- Die Saar wird für die Verwaltung sämtlicher Kohlenvorkommen der Saar einschließlich des Warndt sowie der von den Saarbergwerken verwalteten Grubenanlagen Sorge tragen." Um es hier in einer Kurzfassung konzentriert zu kommentieren: Frankreich wollte die Saar als Preis für seine Zustimmung zur Aufrüstung der BRD und ihre Aufnahme in die NATO. Und Adenauer war bereit, diesen Preis zu zahlen.

Der Kampf um die Deutung des Saarstatuts und seine Folgen, der Kampf um die Meinungsführerschaft in den Köpfen der Saarbevölkerung führte im Sommer 1955 zu einem wahren Papierkrieg (Flugblätter, Broschüren, Plakate, Klebezettel und Zeitungen), zu Versammlungen und Kundgebungen. Es kam zu ungezählten tätlichen Auseinandersetzungen, zum Einsatz starker Polizeikräfte mit Gummiknüppeln und Tränengas.

Zum Stimmungsumschwung betreffend das Verhältnis der Saarbevölkerung zum Regime an der Saar und der Vertretung Frankreichs im Saarland hatten zum einen der wirtschaftliche Aufschwung in der Bundesrepublik beigetragen und die Erwartung, daran teilhaben zu können.

Es gehörte aber auch und nicht zuletzt die Erfahrung der Arbeiter vom Februar 1955 dazu. Bis dahin hatte die Teuerung in Frankreich und an der Saar vieles von den sozialen Vergünstigungen, die es im Saarland gab, weggezehrt. Lohnforderungen waren immer wieder abgewiesen worden. Als es zum Streik der Hüttenarbeiter und einem Marsch nach Saarbrücken kam, setzte die Saarregierung Wagen mit Tränengas, berittene Polizei und das berüchtigte Saar-Bataillon gegen die Demonstranten ein. Die Hoffnung auf Einsicht bei der Regierung und den Unternehmen war so per Gummiknüppel ausgetrieben worden. Danach kam es zum Generalstreik.

Schließlich sei darauf verwiesen, dass noch im Mai 1955 ein "Vertrag zwischen Frankreich und dem Saarland über wirtschaftliche Zusammenarbeit" mit vielen Anlagen, Briefen usw. vereinbart wurde, der die Bindungen des Saarlandes an Frankreich komplettierte, während ja erst für später eine "Erweiterung der wirtschaftlichen Beziehungen Saarland-Bundesrepublik ins Auge gefasst wurde.

Wie in der Endphase des Abstimmungskampfes 1934/35 wurden auch in diesem Herbst 1955 internationale Beobachter des Ablaufes eingesetzt.

Das Abstimmungsergebnis vom 23. Oktober 1955 lautete:
Bei 641.299 abgegebenen Stimmen, wovon 97,5 % gültig waren
- für das NEIN 423.655 = 67,7 %
- für das JA 201.898 = 32,3 % der Stimmen.

Noch in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober 1955 trat Johannes Hoffmann als Ministerpräsident zurück.

Einer Übergangsregierung stand bis nach der Landtagswahl am 18. Dezember 1955 und der Bildung der Regierung Ney am 10.1.1957 der Jurist Heinrich Welch vor.

Die Landtagswahl im Dezember 1955 hatte zu folgender Konstellation geführt:
- CDU 14 Sitze
- CVP 13 Sitze
- DPS 12 Sitze
- KP 2 Sitze
- SPS 2 Sitze
- SPD 7 Sitze

Die Vorstellung, dass nun das Gesamtvertragswerk vom 23. Oktober 1954 in Paris neu zur Disposition stehen könnte, war eine Illusion.

Es bestand Einigkeit bei der westlichen Allianz, die Bundesrepublik Deutschland in die Militärkoalition einzubeziehen. Und die Kräfteverhältnisse erwiesen sich so, dass sowohl Vorschläge der Sowjetunion als auch der DDR zurückgewiesen oder einfach ignoriert werden konnten.

Für die dominierenden politischen Kräfte an der Saar war klar, dass nur ein wie auch immer gestalteter Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland in Frage kam. Über die Konditionen war zur verhandeln und zu streiten.

Anders war die Haltung der Kommunistischen Partei. Sie wandte sich das erste Halbjahr 1956 "gegen den Anschluss an die Bundesrepublik". Und sie begründete ihre Position in einer kleinen Broschüre.

Sie trat für ein System kollektiver Sicherheit in Europa ein. Das sei der Weg, um eine Wiedervereinigung Deutschlands herzustellen.

Für die Kommunisten gehörten grundlegende gesellschaftliche Veränderungen in Westdeutschland, einschließlich der Saar dazu und eine Abkehr von den Pariser Verträgen. Über diese Themenkomplexe sollte zwischen den Regierungen in Bonn, Berlin und Saarbrücken verhandelt werden. (Diese Position war nicht durchzuhalten. Sie wurde im Verlauf des Jahres modifiziert.)

Bonn und Paris verhandelten in der Zwischenzeit um eine Lösung zu finden, die Frankreichs Interessen und das Votum der Saarbevölkerung berücksichtigen sollte, um schließlich das Vertragswerk von Paris weiter realisieren zu können.

So kam es am 27. Oktober 1956 zum Luxemburger Abkommen, einem Vertragswerk zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich zur Regelung der Saarfrage.

Dieses Luxemburger Abkommen umfasste ein Bündel von Vereinbarungen, in denen politische, wirtschaftliche, währungspolitische, steuerpolitische und weitere Fragen geregelt waren.

Hauptpunkte:
- das Saarland solle ab 1. Januar 1957 ein Land der Bundesrepublik werden.
- für die wirtschaftliche Eingliederung wird eine Übergangszeit festgelegt, die der saarländischen Wirtschaft eine Neuorientierung ermöglichen, ihre Interessen auf dem französischen und dem deutschen Markt sichern, aber auch Frankreichs Wirtschaftsinteressen an der Saar berücksichtigen soll. Die Übergangszeit, in der die Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich erhalten bleibt, sollte längstens 3 Jahre dauern. In dieser Zeit sollten deutsche Waren, besonders Investitionsgüter zollfrei an die Saar eingeführt werden können. .

Weitere Bestimmungen betrafen die Franc-DM-Umtausch- Modalitäten, Kohleförderung von Frankreich aus im Warndt, Kohlenlieferungen von der Saar an Frankreich, aber auch die Rückübertragung der Saarbergwerke in deutsches Staatseigentum usw.

In einer weiteren Vereinbarung wurde Frankreich die Finanzierung der Moselkanalisierung durch die Bundesrepublik Deutschland zugesichert.

Eine Vereinbarung betraf auch die Festlegung, dass keinem der politischen Akteure aus der rück liegenden Zeit aus seiner bisherigen politischen Haltung und seinem Engagement ein Nachteil entstehen dürfe.

Am 15. Dezember 1956 billigte der Bundestag die Verträge mit Frankreich.

Am 13./14. Dezember stand auf der Tagesordnung des Saarbrücker Landtags die Beitrittserklärung zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Artikel 23 GG.

Der Beitrittserklärung stimmten die DPS-Abgeordneten nicht zu, sie enthielten sich der Stimme. Dr. Heinrich Schneider (DPS) führte in der 24. Sitzung des Landtages am 13. Dezember 1956 u. a. aus:
"...wir haben zweifelsohne den Auftrag von der Bevölkerung, die Saar in die Bundesrepublik einzugliedern. Aber wir haben auch den Auftrag übernommen, diese Eingliederung so zu ordnen und zu regeln, dass für unsere Bevölkerung kein Nachteil entsteht...
...worüber wir uns jetzt streiten, ist nicht die Frage, wohin die Saar gehört, sondern es ist allein die Art und Weise und die Form, wie wir in die Bundesrepublik eingegliedert werden...
...Die Frage des sozialen Besitzstandes ist die Hauptfrage."
Die KP-Abgeordneten Fritz Bäsel und Erich Walch votierten mit Nein zum Beitritt.

Auch mit dem Abstand so vieler Jahre ist es für den Historiker wie für einen politischen Akteur jener Zeit von Interesse, das umfangreiche Protokoll jener Sitzung, die von 16.28 Uhr bis 2.00 Uhr in der Nacht dauerte zu lesen und die einzelnen Positionen (neu oder erneut) zur Kenntnis zunehmen. (Die Begründung des "Antrages betreffend Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland" durch den Ministerpräsidenten und vier Minister sowie die Aussprache dazu kann hier nicht referiert werden.) Die Positionen reichen von einer solchen Formulierung wie "wer die Rückkehr von Bedingungen abhängig macht, der kann behaupten, was er will, aber er kann nicht sagen, dass er ein deutscher Patriot ist", über die Versuche, den Antrag auf Beitritt zurückzustellen, in den Ausschüssen zu beraten, eine Reihe von Fragen vertraglich vorab zu klären (DPS) bis zum Nein zu diesem Beitritt und den damit verbundenen Konsequenzen. (KP)

Ab 1. Januar 1957 war das Saarland ein Land der Bundesrepublik Deutschland. Die saarländischen Parteien nahmen nun eine unterschiedliche Entwicklung. In einem Jahre währenden Prozess nahm die DSP/SPD z. T. zögerlich die ehemaligen Mitglieder der SPS auf. CDU und CVP verschmolzen. Aus der DPS wurde die FDP/DPS. Am 8. April 1957 wurde die KP verboten.

Am so genannten Tag X, am 6. Juli 1959 wurde im Saarland die Währung auf D-Mark umgestellt. Die Grenzen wurden verlegt, gegenüber "dem Reich" waren sie nun ganz geöffnet. Gegenüber Frankreich wurden sie eingerichtet. Das begann an diesem Tag X mit einer Invasion von Händlern und Drückerkolonnen, die die Menschen an der Saar überschwemmten. Viele saarländische Geschäfte und Betriebe gingen nach und nach kaputt unter der Konkurrenz, die sich hier austoben konnte. Es gab noch zeitweilige Vergünstigungen.
Der offizielle Währungsumtausch wurde bei den Warenpreisen nicht eingehalten. Statt 117,50 Franc zu einer Mark wurde 100 zu 1 gerechnet und so wurde vieles teurer.

Sozialabbau setzte ein:
Es kam zu Demonstrationen und Gewerkschafter trugen 1959 dabei ein Transparent mit der Losung:
"Im Saarland herrscht soziale Not - die Bonner nehmen uns das Brot". Wenn es auch insgesamt durch die Teilhabe am Nachkriegsaufschwung der Bruderrepublik schrittweise besser ging, blieben z.B. die Löhne im Bergbau und in der Hüttenindustrie immer hinter den vergleichbaren der Ruhrindustrie zurück.
Das Saarland gehörte ab dem Tag X mit allen Konsequenzen zur Bundesrepublik Deutschland.