Archiv 2003




„Was wird aus der PDS?” – Zur Veranstaltung der Peter-Imandt-Gesellschaft mit Sahra Wagenknecht.

Zu Beginn der Veranstaltung betonte Sahra Wagenknecht, dass man die Situation der PDS nicht beurteilen könne, ohne die politischen Rahmenbedingungen auf globaler und nationaler Ebene zu analysieren. Entsprechend beschäftigte sich der Großteil ihres Vortrags mit der Politik der rot-grünen Bundesregierung in dieser sowie der letzten Legislaturperiode.

Tenor ihrer Kritik an Kanzler Schröder und seiner Agenda 2010 war, dass sowohl die bereits in Kraft getretenen als auch die noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag beratenen Reformen eine krasse soziale Schieflage hätten, also einseitig Wohlhabende und Konzerne begünstigten, während Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und abhängig Beschäftigte mit drastischen Einschnitten konfrontiert würden. Eine derartige Politik machte die Kommunistin auch für die leeren Haushaltskassen verantwortlich. Als Beispiele führte sie u.a. die ihres Erachtens unsoziale Steuerreform (Senkung der Körperschaftssteuer, Bilanzverrechnung für Unternehmen, Senkung des Spitzensteuersatzes), die derzeit geplante Gemeindefinanzreform, den Gesundheitskompromiss („einseitige Belastung von Patienten und Versicherten”) sowie die Hartz-Reform („schafft anstatt sicherer Arbeitsplätze einen ausgeprägten Niedriglohnsektor”) an.

In der Rentendebatte bewertete sie den Vorschlag der Rürup-Kommission, die Lebensarbeitszeit zu erhöhen, vor dem Hintergrund von sechs Millionen fehlenden Stellen als kontraproduktiv und plädierte stattdessen für einen Systemwechsel in der Frage der Finanzierung: Nicht die Lohnsumme, sondern die Wertschöpfung und damit vor allem der Gewinn eines Unternehmens sollen für die Höhe der Rentenbeiträge maßgebend sein. Auch die Erweiterung der Bemessungsgrundlage mittels der Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung würde die PDS-Politikerin begrüßen.

Ihr stärkster Kritikpunkt an der Politik der Bundesregierung sei aber die Tatsache, dass diese mit der militärischen Intervention im Kosovo-Konflikt Krieg als Mittel der Politik wieder salonfähig gemacht hätten, so Wagenknecht. Die derzeit größte militärische Aggression gehe allerdings von den USA aus.

Nach Ansicht des PDS-Vorstandsmitglieds wäre es unter einer von der CDU geführten Bundesregierung viel schwerer gewesen, all die Maßnahmen und Pläne, die durch sozialen Raubbau und Neoliberalismus gekennzeichnet seien, durchzusetzen. Eine Erklärung für diesen Sachverhalt hat sie ebenfalls parat: Der Widerstand halte sich gerade deshalb stark in Grenzen, weil es eben eine Koalition aus SPD und Grünen sei, die den Sozialstaat demontiere, der durch das Engagement der Linken in jahrhundertelangen Kämpfen aufgebaut worden sei.

Die Funktion der Partei des Demokratischen Sozialismus sieht Wagenknecht in der Entwicklung von Gegenkonzepten zu den von weiten Teilen der Öffentlichkeit als deterministisch und alternativlos bezeichneten Reformpaketen von Rot-Grün. Dabei hob die Politikerin hervor, dass ihrer Ansicht nach die PDS nur dann eine Chance habe, erfolgreich zu sein, - und sie hoffe, dass dies der Fall sei - wenn sie sowohl parlamentarisch als auch außerparlamentarisch agiere. Einem Rückzug der PDS aus den Parlamenten und damit einer Entwicklung der Partei hin zu einer Art DKP, die durchaus über engagierte Mitglieder verfüge, aber in der Öffentlichkeit nur marginal wahrgenommen würde, erteilte die Buchautorin eine Absage. Allerdings nahm sie auch die Politik der Berliner Landesregierung, an der die PDS in einem rot-roten Bündnis beteiligt ist, stark unter Beschuss: Es könne nicht sein, sich auf der einen Seite gegen Neoliberalismus zu stellen, dann aber in Regierungsverantwortung eine ähnliche Politik zu betreiben, wenn beispielsweise die Lernmittelfreiheit weggekürzt und Studienkonten eingeführt würden.

In der sich nun entwickelnden Diskussion wurde allgemein festgestellt, dass die Linkssozialisten durch die Wahlniederlage deutlich geschwächt wurden, wobei den größten Nachteil nach Einschätzung mehrerer Teilnehmer der Wegfall der Bundestagsfraktion und damit das Fehlen einer Präsenz in der Öffentlichkeit ausmacht. „Aufgrund der verminderten Medienwirksamkeit müssen deshalb die eigenen Anstrengungen verstärkt werden, um bei den 2004 anstehenden Wahlen Siege davonzutragen und 2006 wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen”, sagte Sarah Wagenknecht. Ebenfalls mehrfach angesprochen wurde der in der PDS ausgetragene Flügelkampf. Ein Teilnehmer verlangte, es müsse möglich sein, dass wie zu Zeiten eines früheren Pluralismus so gegensätzliche Charaktere wie Gregor Gysi und Sarah Wagenknecht sich aktiv in der PDS engagieren könnten. Außerdem wurde die Tatsache bemängelt, innerhalb einer sozialistischen Partei überhaupt von „Linken” und „Rechten” zu sprechen.

Auf die Frage, worin sie die Ursachen für die Wahlniederlage der PDS sehe, antwortete die Kommunistin, dass ein Hauptfaktor für sie der vor der Bundestagswahl inszenierte personenbezogene Dualismus zwischen SPD und Union sei, also die medientechnische Zuspitzung und Simplifizierung auf die Frage Schröder oder Stoiber, mit dem Ergebnis, dass einige der PDS-Stammwähler der SPD ihre Zweitstimme gegeben hätten, um zu verhindern, dass der CSU-Vorsitzende Bundeskanzler werde.

Auf der anderen Seite gab Wagenknecht zu bedenken, dass viele Wähler, die den Linkssozialisten nicht ihre Stimme geliehen hätten, ganz zu Hause geblieben seien und sah darin die Bestrebung, der PDS aufgrund ihrer unglaubwürdigen Politik, also der Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, einen Denkzettel verpassen zu wollen. In der Diskussion wurde ebenfalls der Wunsch an die PDS gerichtet, sich weder im Opportunismus zu üben und eine Anbiederung an die etablierten Parteien zu vollziehen noch die Realität aus den Augen zu verlieren, also auch praxisnahe Lösungen für die ökonomischen und gesellschaftlichen Probleme zu finden.

Schwammig und nicht überzeugend waren Wagenknechts Aussagen zur Standort-Debatte, als sie Kapitalflucht aufgrund der Erhöhung der Belastung für große Konzerne für irrelevant erklärte, da ja die Produktionsstätten mitsamt den verwendeten Maschinen vor Ort blieben. Was nun tatsächlich aus der PDS wird, wird die Zukunft zeigen.