Archiv 2003





Vor 70 Jahren: 30. Januar 1933
Die Machtergreifung der Faschisten in Deutschland

26. Januar 2003 – 14 Uhr
Kolloquium – Der 30. Januar 1933: Auftrag für Hitler

Angesichts unverkennbarer Tendenzen einer Rechtsentwicklung in Deutschland und in Gesamteuropa ist die Erinnerung an die Errichtung der Hitlerdiktatur von herausragender Bedeutung. Dabei standen in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark die Ursachenkomplexe im Vordergrund, die zum Untergang der Weimarer Republik führten. Diese dürften weitgehend erforscht sein und Eingang in die unterschiedlichsten, mittlerweile stark verfestigten Interpretationsmuster gefunden haben.

Demgegenüber erscheinen Fragen nach den Denk- und Verhaltensstrukturen der Deutschen auf dem Weg in Diktatur und Krieg, in der Zeit der Hitlerherrschaft sowie in der nachfolgenden geschichtspolitischen Auseinandersetzung mit den Folgen von Faschismus und Krieg noch nicht schlüssig beantwortet. Für die Denk- und Verhaltensweisen der Massen spielte zum Beispiel die Sprache der Politik eine gewichtige Rolle, wie anhand der teilweise verheerenden Wirkungen historisch-politischer Schlagwörter und Schlachtrufe zu erkennen ist.

Im Saarland, dass seit Ende des ersten Weltkrieges unter Völkerbundsaufsicht stand und die Nazipartei bis 1933 nur wenige Anhänger besaß, schwand die anfängliche Skepsis gegen Hitler und führte zu dessen Sieg bei der Volksabstimmung 1935.

Veranstalter: Peter Imandt Gesellschaft e.V., Heinrich-Böll-Stiftung, Saarland e.V., Vereinigung Verfolgter des Naziregimes - Bund der Antifaschisten, Geografie ohne Grenzen e.V.
Termin: Sonntag, 26. Januar 2003
Beginn: von 14.00 Uhr bis ca. 17.00 Uhr
Ort: Saarbrücken, Stadtgalerie am St. Johanner Markt

Vorträge:

14 Uhr – Die Deutschen und der Nationalsozialismus im Spiegel ihrer Schlagwörter und Schlachtrufe mit Prof. Dr. Kurt Pätzold, Berlin

Kein anderes Herrschaftsregime hat in Deutschland eine solch raffinierte und wirksame Propaganda zur Beherrschung und Irreführung der Übergroßen Mehrheit der deutschen entwickelt wie die Nazidiktatur. Zum Instrumentarium der Machthaber gehörten einprägsame Losungen und Parolen, von denen manche bis über das Ende des Regimes hinaus im Gedächtnis der Zeitgenossen haften blieben. Kurt Pätzold hat gemeinsam mit dem Jenaer Historiker Manfred Weissbecker eine zweibändige Publikation unter dem Thema "Schlagwörter und Schlachtrufe aus zwei jahrhunderten deutscher Geschichte", an der 51 Autoren mitgearbeitet haben (Militzke Verlag Leipzig 2002) herausgegeben. die rede wird sein von Wortwendungen wie "Deutschland, erwache", "keiner soll hungern, keiner soll frieren" bis "Räder müssen rollen für den Sieg", von ihrer Herkunft, ihrer Verbreitung und ihrer Funktion.
14.40 Uhr – Die Wirkung des 30. Januar in Frankreich mit PD Dr. Johannes Becker, Marburg

Auch Frankreich bleibt von der Rechtsentwicklung der 20er und 30er Jahre in Europa nicht unberührt. 1927 gründet sich die faschistische Kampfgruppe Croix de feu, 1933 die Parti franciste. Die kapitalistische Wirtschaftskrise der 30er Jahre trifft Frankreich später und - aufgrund seiner klein- und mittelbetrieblichen Wirtschaftsstruktur - weniger hart. Dennoch sinkt zwischen 1930 und 1935 die Produktion in einzelnen Schlüsselzweigen (Stahl und Aluminium) um 40 bis 50 %. Die Massenarbeitslosigkeit wird stärker, Sozialabbau und Verarmung greifen um sich. Als 1932 ein "Linkskartell" aus Sozialisten und Radikalen die Parlamentsmehrheit erringt, verschärfen sich die rechtsradikalen Tendenzen. Diese münden am 6.2.34 in die blutigen Massendemonstrationen der "Journée des Ligues". Die Rechte plant den Staatsstreich. Angesichts des Faschismus in Italien und Deutschland finden Sozialisten und Kommunisten schließlich zu einem Bündnis, das bei den Parlamentswahlen von 1936 zum Wahlsieg und in der Folge zur Bildung der legendären Volksfront unter Léon Blum führt.

15.35 Uhr – Die Mobilisierung der Saarländer für Hitler mit Dr. Luitwin Bies, Völklingen

Im Vertrag von Versailles war festgelegt worden, dass im Saargebiet nach Ablauf 15 jähriger Völkerbundsverwaltung ein Plebiszit stattfindet, mit dem die künftige Zugehörigkeit des Gebietes festgestellt werden sollte: zu Deutschland, zu Frankreich oder Beibehaltung des Völkerbundregimes. Zwar waren alle relevanten politischen Kräne für die Rückkehr in den deutschen Staatsverband, doch taten sich mit der Errichtung der faschistischen Diktatur „im Reich" aber 1933 auch an der Saar Probleme und Fragen auf. Das Naziregime stand vor der Aufgabe, die Saarländer zu überzeugen, zu gewinnen, zu betören, zu erpressen, zu terrorisieren, kurz alles zu mobilisieren, um eine Mehrheit zu erlangen. Die Kollaboration der bürgerlichen Parteien und der Führer der christlichen Gewerkschaften mit Hitler führten zur Bildung der „Deutschen Front". Die antifaschistische Einheitsfront von Kommunisten, Sozialdemokraten und wenigen Christen kämpfte aufopferungsvoll - und unterlag.

16.15 bis ca. 17.30 Uhr: Diskussion