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Text des Vortrages von Dr. Luitwin Bies auf einer Veranstaltung der Peter-Imandt-Gesellschaft e.V. am 16. März 2000 in Saarbrücken
Eine Vereinbarung betraf auch die Festlegung, dass keinem der politischen Akteure aus der rückliegenden Zeit aus seiner bisherigen politischen Haltung und seinem Engagement ein Nachteil entstehen dürfe. Am 15. Dezember 1956 billigte der Bundestag die Verträge mit Frankreich. Am 13./14. Dezember stand auf der Tagesordnung des Saarbrücker Landtags die Beitrittserklärung zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Artikel 23 GG.
Der Beitrittserklärung stimmten die DPS-Abgeordneten nicht zu, sie enthielten sich der Stimme. Die KP-Abgeordneten Fritz Bäsel und Erich Walch votierten mit Nein zum Beitritt.
Auch mit dem Abstand so vieler Jahre ist es für den Historiker wie für einen politischen Akteur jener Zeit von Interesse, das umfangreiche Protokoll jener Sitzung, die von 16.28 Uhr bis 2.00 Uhr in der Nacht dauerte zu lesen und die einzelnen Positionen (neu oder erneut) zur Kenntnis zu nehmen. (Die Begründung des Antrages betreffend Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland" durch den Ministerpräsidenten und vier Minister sowie die Aussprache dazu kann hier nicht referiert werden.) Die Positionen reichen von einer solchen Formulierung wie ewer die Rückkehr von Bedingungen abhängig macht, der kann behaupten, was er will, aber er kann nicht sagen, dass er ein deutscher Patriot ist", über die Versuche, den Antrag auf Beitritt zurückzustellen, in den Ausschüssen zu beraten, eine Reihe von Fragen vertraglich vorab zu klären (DPS) bis zum Nein zu diesem Beitritt und den damit verbundenen Konsequenzen. (KP)
Am sogenannten Tag X, am 6. Juli 1959 wurde im Saarland die Währung auf D-Mark umgestellt. Die Grenzen wurden verlegt, gegenüber ndem Reich" waren sie nun ganz geöffnet. Gegenüber Frankreich wurden sie eingerichtet. Das begann an diesem Tag X mit einer Invasion von Händlern und Drückerkolonnen, die die Menschen an der Saar überschwemmten. Viele saarländische Geschäfte und Betriebe gingen nach und nach kaputt unter der Konkurrenz, die sich hier austoben konnte. Es gab noch Vergünstigungen. Der offizielle Währungsumtausch wurde bei den Warenpreisen nicht eingehalten. Statt 117,50 Franc zu einer Mark wurde 100 zu 1 gerechnet und so wurde vieles teurer.
Sozialabbau setzte ein: Es kam zu Demonstrationen und Gewerkschafter trugen 1959 dabei ein Transparent mit der Losung: "Im Saarland herrscht soziale Not - die Bonner nehmen uns das Brot." Wenn es auch insgesamt durch die Teilhabe am Nachkriegsaufschwung der Bruderrepublik schrittweise besser ging, blieben z.B. die Löhne im Bergbau und in der Hüttenindustrie immer hinter den vergleichbaren der Ruhrindustrie zurück. Das Saarland gehörte ab dem Tag X mit allen Konsequenzen zur Bundesrepublik Deutschland.
-DPS 12 Sitze
-KP 2 Sitze
-SPS 2 Sitze
-SPD 7 Sitze
Die Vorstellung, dass nun das Gesamtvertragswerk vom 23. Oktober 1954 in Paris neu zur Disposition stehen könnte, war eine Illusion. Es bestand Einigkeit bei der westlichen Allianz, die Bundesrepublik Deutschland in die Militärkoalition einzubeziehen. Und die Kräfteverhältnisse erwiesen sich so, dass sowohl Vorschläge der Sowjetunion als auch der DDR zurückgewiesen oder einfach ignoriert werden konnten.
Für die dominierenden politischen Kräfte an der Saar war klar, dass nur ein wie auch immer gestalteter Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland in Frage kam. Über die Konditionen war zur verhandeln und zu streiten. Anders war die Haltung der Kommunistischen Partei. Sie wandte sich etwa das erste Halbjahr 1956 ,gegen den Anschluss an die Bundesrepublik". Und sie begründete ihre Position in einer kleinen Broschüre. Sie trat für ein System kollektiver Sicherheit in Europa ein. Das sei der Weg, um eine Wiedervereinigung Deutschlands herzustellen.
Für die Kommunisten gehörten grundlegende gesellschaftliche Veränderungen in Westdeutschland, einschließlich der Saar dazu und eine Abkehr von den Pariser Verträgen. Über diese Themenkomplexe sollte zwischen den Regierungen in Bonn, Berlin und Saarbrücken verhandelt werden. (Diese Position war nicht durchzuhalten. Sie wurde im Verlauf des Jahres modifiziert.)
Bonn und Paris verhandelten in der Zwischenzeit um eine Lösung zu finden, die Frankreichs Interessen und das Votum der Saarbevölkerung berücksichtigen sollte, um schließlich das Vertragswerk von Paris weiter realisieren zu können. So kam es am 27. Oktober 1956 zum Luxemburger Abkommen, einem Vertragswerk zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich zur Regelung der Saarfrage. (Hier eine Zwischenbemerkung: Im Februar 1956 hatte der XX. Parteitag der KPdSU stattgefungen, der eine enorme Erschütterung der kommunistischen Weltbewegung auslöste. Im Oktober 1956 intervenierte die Sowjetarmee als es in Ungarn zu einem konterrevolutionären Aufstand gekommen war.
Im Juli 1956 hatte Ägyptens Präsident Nasser die Nationalisierung des Suez-Kanals verkündet. Im Oktober begann Israel eine Aggression gegen Ägypten, am 5. November landeten britische und französische Truppen bei Port Said, nachdem sie Tage zuvor ein Bombardement veranstaltet hatten. Die UdSSR warnte damals die Aggressoren. Im Dezember zogen diese ihre Truppen zurück.) Dieses Luxemburger Abkommen umfasste ein Bündel von Vereinbarungen, in denen politische, wirtschaftliche, währungspolitische, steuerpolitische und weitere Fragen geregelt waren.
Hauptpunkte: - das Saarland solle ab 1. Januar 1957 ein Land der Bundesrepublik werden. - für die wirtschaftliche Eingliederung wird eine Übergangszeit festgelegt, die der saarländischen Wirtschaft eine Neuorientierung ermöglichen, ihre Interessen auf dem französischen und dem deutschen Markt sichern, aber auch Frankreichs Wirtschaftsinteressen an der Saar berücksichtigen soll. Die Übergangszeit, in der die Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich erhalten bleibt, sollte längstens 3 Jahre dauern. In dieser Zeit sollten deutsche Waren, besonders Investitionsgüter zollfrei an die Saar eingeführt werden können.
Weitere Bestimmungen betrafen die Franc-DM-Umtausch- Modalitäten, Kohleförderung von Frankreich aus im Wa mdt, Kohlenlieferungen von der Saar an Frankreich, aber auch die Rückübertragung der Saarbergwerke in deutsches Staatseigentum usw. In einer weiteren Vereinbarung wurde Frankreich die Finanzierung der Moselkanalisierung durch die Bundesrepublik Deutschland zugesichert.
Zum Anfang
Wie sahen nun die Kernbestimmungen des Statuts aus? (Auszüge)
- »Ein europäischer Kommissar nimmt die Vertretung der Saarinteressen auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten und der Verteidigung wahr.
- Die Teilnahme der Saar an der europäischen Verteidigung wird durch einen gesonderten Vertrag festgelegt.
- »Sobald das Statut durch Volksabstimmung gebilligt ist, kann es bis zum Abschluss eines Friedensvertrages nicht in Frage gestellt werden.
Jede von außen kommende Einmischung, die zum Ziele hat, auf die öffentliche Meinung an der Saar einzuwirken, insbesondere in Form der Beihilfe oder der Unterstützung für politische Parteien, für Vereinigungen oder die Presse, wird untersagt.
- Auf dem Währungsgebiet bleibt die derzeitige Regelung bis zur Schaffung einer Währung europäischen Charakters in Kraft.
Die fortschreitende Erweiterung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Saar darf die französisch-saarländische Währungsunion und die Durchführung des französisch-saarländischen Abkommens über die wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht in Gefahr bringen.
- Die Saar wird für die Verwaltung sämtlicher Kohlenvorkommen der Saar einschließlich des Wamdt sowie der von den Saarbergwerken verwalteten Grubenanlagen Sorge tragen."
Der Kampf um die Deutung des Saarstatuts und seine Folgen, der Kampf um die Meinungsführerschaft in den Köpfen der Saarbevölkerung führte im Sommer 1955 zu einem wahren Papierkrieg (Flugblätter, Broschüren, Plakate, Klebezettel und Zeitungen), zu Versammlungen und Kundgebungen. Es kam zu ungezählten tätlichen Auseinandersetzungen, zum Einsatz starker Polizeikräfte mit Gummiknüppeln und Tränengas.
Zum Stimmungsumschwung betreffend das Verhältnis der Saarbevölkerung zum Regime an der Saar und der Vertretung Frankreichs im Saarland hatten zum einen der wirtschaftliche Aufschwung in der Bundesrepublik beigetragen und die Erwartung, daran teilhaben zu können.
Es gehörte aber auch und nicht zuletzt die Erfahrung der Arbeiter vom Februar 1955 dazu. Bis dahin hatte die Teuerung in Frankreich und an der Saar vieles von den sozialen Vergünstigungen, die es im Saarland gab, weggezehrt. Lohnforderungen waren immer wieder abgewiesen worden. Als es zum Streik der Hüttenarbeiter und einem Marsch nach Saarbrücken kam, setzte die Saarregierung Wagen mit Tränengas, berittene Polizei und das berüchtigte Saar-Bataillon gegen die Demonstranten ein. Die Hoffnung auf Einsicht bei der Regierung und den Unternehmen war so per Gummiknüppel ausgetrieben worden. Wie in der Endphase des Abstimmungskampfes 1934/35 wurden auch in diesem Herbst 1955 internationale Beobachter des Ablaufes eingesetzt.
Das Abstimmungsergebnis vom 23. Oktober 1955 lautete:
Bei 641.299 abgegebenen Stimmen,
wovon 97,5 % gültig, waren
- für das NEIN 423.655 = 67,7
- für das JA 201.898 = 32,3 % der Stimmen.
Noch in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober 1955 trat Johannes Hoffmann als Ministerpräsident zurück. Einer Übergangsregierung stand bis nach der Landtagswahl am 18. Dezember 1955 und der Bildung der Regierung Ney am 10.1.1957 ein Mann vor, den man als Prototyp eines Schreibtischtäters aus der Nazizeit bezeichnen kann: Heinrich Welsch.
Die Landtagswahl hatte zu folgender Konstellation geführt:
- CDU 14 Sitze
- CVP 13 Sitze
Der EVG-Vertrag scheiterte allerdings in der französischen Nationalversammlung, die am 30. August 1954 eine Ratifizierung ablehnte. Es kam dann zu weiteren Verhandlungen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland. Im September 1954 fand in London eine Neunmächtekonferenz statt. Hier wurden weitere Maßnahmen zur Einbeziehung der Bundesrepublik in die Militärallianz NATO vereinbart.
In den Tagen zwischen dem 19. und dem 23. Oktober 1954 wurden in verschiedenen Konferenzen in Paris die sogenannten Pariser Verträge vereinbart, zu denen auch das sogenannte AEuropäische Saarstatut" gehörte. Ende Dezember 1954 ratifizierte die Nationalversammlung in Paris das Vertragswerk.
Am 27. Februar 1955 wurden diese Verträge gegen die Stimmen der Opposition im Bundestag ratifiziert. Das Abkommen über das Saarstatut sah vor, dass ein Plebiszit der Saarbevölkerung über Annahme oder Ablehnung zu entscheiden habe. Die Volksabstimmung wurde auf den 23. Oktober 1955 terminiert. Drei Monate vorher waren die Parteien und Zeitungen ungehindert zuzulassen.
Es formierten sich dann auch DPS (später DPS-FDP), DSP (später SPD) und die CDU. Sie hatten 1952 eine legale Gründung versucht, waren aber nicht zugelassen worden. Sie gaben auch eigene Zeitungen heraus, dien Deutsche Saar, die Saarbrücker Allgemeine Zeitung" und dien Neuesten Nachrichten".
Nun hatten sich die Parteien festzulegen, wie sie sich zum Statut verhalten wollten. CVP und SPS entschieden sich für die Annahme des Statuts. In Obereinstimmung mit der Haltung der Mutterpartei in Bonn bekannte sich die DSP zu einem Nein, d.h. zur Ablehnung.
DPS und CDU wogen erst ab, ob es nicht sicherer sei, über eine Annahme des Status und die drei Monate danach vorgesehene Landtags-Neuwahl eine Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse anzustreben und später eine Vereinigung mit Deutschland voranzutreiben. Aber es war eindeutig festgelegt, dass sich die Regierungen Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland verpflichten, ,das Statut der Saar bis zum Abschluss eines Friedensvertrages aufrechtzuerhalten und zu garantieren." Also entschlossen sich DPS und CDU, für ein Nein zu plädieren und zu votieren. Das bedeutete zugleich, sich gegen Adenauer zu entscheiden.
Die Kommunisten hatten sich als erste politische Partei auf das Nein festgelegt. Was waren ihre Motive? Ging es ihr einfach um Adie nationale Frage"? Wie verstand sie, wie die anderen Parteien die nationale Frage?
Schaut man sich die Aussagen der Parteien zum Statut im damals stattfinden Abstimmungskampf an, so fällt auf, dass die Argumentation das Statut losgelöst aus dem Pariser Vertragswerk behandelt. Grob gesagt, dominiert auf der einen Seite ausschließlich eine "nationale" Auseinandersetzung, die außer der Frage nach der Einheit Deutschlands (worunter der Anschluss an die Bundesrepublik verstanden wurde) keinerlei Frage nach der Funktion des Saarstatuts im Komplex der Pariser Verträge stellt und keine Frage nach dem Platz eines künftigen einheitlichen Deutschland unter den Völkern Europas und der Welt erhebt. Das erklärt auch, wieso auf mancher Kundgebung des sogenannten aHeimatbundes", zu dem sich DPS, CDU und DSP zusammengeschlossen hatten, nicht nur die 3. Strophe aus Hoffmann von Fallersleben Deutschland-Lied gesungen wurde, sondem nicht selten mit Inbrunst auch dieses rüber alles in der Welt".
Von der Betrachtungsweise hob sich sowohl die Sicht der Kommunisten, die ja ebenfalls das Nein zum Statut vertraten, wie auch die Wertung der Ja-Sager Parteien CVP, besonders aber der SPS ab.
Die Kommunisten sahen in der BRD zwar den größeren deutschen, aber doch nur einen Teilstaat, in welchem abweichend von den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens der Siegermächte, nicht die als grundlegend erkannten Voraussetzungen für Faschismus zerstört, ja die imperialistischen Grundlagen restauriert worden waren. Dazu gehörte ja nicht nur, dass die alten Kriegsverbrecher wieder ihren Besitz in Banken und Industrie innehatten, sondem wo auch belastete Altnazis in exponierten Stellen des Staates eingebaut waren.
Zudem war ja mit dem Kurs auf Westintegration, sogenannte Europäische Verteidigungsgemeinschaft, auf NATO-Mitgliedschaft in dieser Hochzeit des kalten Krieges eine Zunahme der Spannungen in Europa, ja eine Verstärkung potentieller Kriegsgefahren verbunden. Und schließlich bedeutete die
NATO-Mitgliedschaft ja auf unabsehbare Zeit die Festschreibung der Spaltung Deutschlands auch Europas und eine ziemlich definitive Absage an einen künftigen neutralen Status für Deutschland.
Für die Kommunisten hatte die nationale Frage zuerst einen tiefen friedenspolitischen Inhalt, denn mit der Hoffnung auf ein mehrheitliches Nein zum Saarstatut war die Erwartung verbunden, dass sowohl die gegen das Vertragswerk in Frankreich, wie die in der Bundesrepublik Deutschland opponierenden Kräfte neuen Auftrieb erhielten und möglicherweise der NATO-Beitritt doch noch verhindert werden könnte. (wie wir wissen, war diese Erwartung irreal.)
In der französischen Nationalsversammlung war die Aufnahme der BRD in die NATO mit 289 gegen 251 Stimmen, die Wiederbewaffnung der BRD und die Aufnahme in die WEU mit 287 gegen 260 Stimmen gebilligt worden. Im Bundestag hatten die Zustimmungsgesetze zu den Pariser Verträgen folgende Stimmenergebnisse:
- das Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes = 324 : 151
- der Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte = 321 : 153
- der Beitritt zur WEU und zur NATO (2 Enthaltungen) = 314: 157
- das Abkommen über das Saarstatut (9 Enthaltungen) = 264 : 201 Stimmen
Hinzu kam bei der KP die Oberlegung, dass die Existenz der DDR und ihre öffentlichen Initiativen für einen neutralen gesamtdeutschen Staat ebenfalls Wirkung zeigen werde.
Es ist auch bei den Kräften, die aus geschäftlichen Gründen bei Frankreich und in der Wirtschafts-Währungs- und Zoll-Union mit diesem Land bleiben wollten, zu differenzieren. Da waren die führenden Parteigänger des Regimes Hoffmann und Hectors und viele ihrer Mitstreiter, die auf andere Weise, aus Karriere-Gründen usw. Nutznießer der Anschluss-Politik geworden waren. (Möglicherweise ist da noch zwischen Hoffmann und Hector, dem Innenminister und französischen Staatsangehörigen saarländischer Herkunft zu differenzieren.)
Bei nicht wenigen Saarländern gab es Besorgnisse vor der Entwicklung in der Bundesrepublik. Militaristische Töne und Ambitionen waren nicht zu überhören. Da gab es jene Militärs, die glaubten, bei einem neuen Waffengang", wie der Krieg verharmlosend genannt wurde, diesmal die richtigen Partner zu haben. (Und in den USA setzte man ja auch auf die Ostkrieg-erfahrenen deutschen Militärs). Und da waren jene Wirtschaftskreise, die die wirtschaftlichen Potentiale im Westen mit Blick auf einen neuen Krieg addierten. Der Antikommunismus hatte bei den westlichen Alliierten die Anti-Nazi-Positionen verdrängt.
In der Bundesrepublik Deutschland war zudem seit 1951 Antrag auf Verbot der KPD gestellt. Viele Ja-Sager - und nicht nur sie - waren also in begründeter Sorge vor der Entwicklung in der Bundesrepublik. Deswegen sahen sie größere Sicherheit an der Seite Frankreichs mit dem durch das Statut gewiesenen Weg.
An einem Beispiel möchte ich die Ängste verdeutlichen, auf die ich oben hingewiesen habe. In der Folgezeit nach dem Verbot der DPS (1951) hatte diese Partei u.a. einen Klebezettel herausgegeben, der einen drohenden Adler in schwarzer Farbe vor rotem Untergrund zeigte und den Text trug: Trotz Verbot nicht tot! wir kommen wieder!"
Im Abstimmungskampf 1955 war der Klebezettel zu einem Plakat gewachsen und der Text verändert. Der schwarze Adler auf dem die drei Buchstaben DPS prangten, war nicht weniger drohend und der Text lautete: nWir sind wieder da!"
Das forderte bei Antifaschisten Assosiationen heraus an die Drohungen der Jahre 1933 - 1935. Darauf antwortete die der CVP und SPS nahestende AEuropa-Bewegung" mit dem Plakat, das einen blassen Adler im Hintergrund zeigt und im Vordergrund den Kopf eines toten Soldaten im Stahlhelm auf einem Schlachtfeld und dem Text: Sie sind wieder da - die Nationalisten! Nicht mehr da sind 52 Millionen Tote des letzten Krieges!"
Dagegen gab es ein weiteres Plakat der DPS, das die antinazistische und die Antikriegspropaganda von Johannes Hoffmann und Dr. Heinz Braun (SPS) als Hetze gegen Deutschland diffamierte. AUnsere Toten" würden heute von diesen missbraucht. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland war im Bewusstsein vieler Saarländer erneut ein ,Vaterland" entstanden, das zunehmend an Attraktivität gewann. nDeutschland" wurde wieder wer im Konzert der Westmächte. So wurde nach wie vor in nationalstaatlichen Kagegorien gedacht. (Übrigens: in Frankreich nicht minder.)
Die DDR war dagegen weit weg, sie warn sowjetisch besetzte Zone". Ihre Deutschland-Konzeption entsprach damals zwar den nationalen Interessen (einheitliches, neutrales Gesamtdeutschland), war aber wegen des ständigen Nein" aus Bonn nicht durchsetzbar.
Der Kurs der Remilitarisierung und damit verbundener Westintegration erschien trotz mancher Skepsis in der Zeit des Kalten Krieges und unter antikommunistischem Trommelfeuer als der einzig logische Weg. Andere, auch Nichtkommunisten, also in CVP und SPS, hatten geradezu einen Horror vor neuem deutschen Zugang zu militärischer Größe. Aber dieser (CVP und SPS) Kurs auf Bindung an Frankreich wurde wegen einer Reihe anderer Faktoren von immer stärkerer Skepsis begleitet.
Frankreich war auf eine Weise gegen die Befreiungsbewegung und das Volk von Vietnam engagiert, die hier keinerlei Zustimmung finden konnte. Frankreich war ferner Kolonialmacht in Nordafrika. Frankreichs Militär- und Kriegskurs brachte entsprechende soziale Belastungen im Innern, hohe Teuerungsraten, eine Zunahme der Labilität des Parteien- und Regierungssystems. Zudem war die Regierungspraxis an der Saar von verschiedensten Verboten, undemokratischen Einschränkungen und Polizeimaßnahmen begleitet.
Erinnert sei hier an die Zensur und an die Verbote der KP-Zeitung "Neue Zeit". Zwischen dem 25. Mai und dem 27. September 1947 waren 84 Artikel völlig gestrichen worden und 173 teilweise. 1947 wurden zwei Ausgaben der Zeitung ganz verboten. 1948 wurden acht Verbote für die Dauer von insgesamt dreieinhalb Monaten verhängt. 1949 waren es neun Verbote über insgesamt sieben Wochen.
1950 wurden 17 Verbote mit einer Dauer über fünfeinhalb Monaten über die Zeitung verhängt. 1951 waren es acht Verbote über acht Monate, 1952 acht Verbote über fünf Monate und neun Tage, 1953 zehn Verbote für insgesamt sechs Monate, 1954 vier Verbote über drei Monate und auch 1955 noch zwei Verbote für die Dauer von sechs Wochen.
Als am 1. Mai 1950 bei der Gewerkschaftsdemonstration neben den roten Fahnen und den Transparenten auch von kommunistischen Gewerkschaftern die schwarz-rot-goldene Fahne der deutschen Republik und von der FDJIem die blaue Fahne, das Sonnenbanner mitgetragen wurden, kam es zu massiven Polizei-Einsätzen. Berittene Polizei und das berüchtigte Saarbataillon attackierten die Demonstranten, schlugen wild drauflos.
Es kam zu einem Prozeß gegen 13 Personen, unter ihnen gegen den KP-Vorsitzenden Fritz Nickolay und gegen den FDJ-Vorsitzenden Heinz Merke[. Gefängnisstrafen wurden verhängt. Ausweisungen, die es nach 1945 zuerst gegen belastete Nazis und deren Familien gegeben hatten, wurden auch gegen kommunistische Persönlichkeiten verhängt, z.B. gegen den Nachkriegsbürgermeister von Dudweiler, August Hey, gegen den Vorsitzenden des IV-Bergbau Oskar Müller, gegen den zweiten Vorsitzenden der Einheitsgewerkschaft Paul Obermeier und gegen andere. Gegen die KP und gegen die FDJ wurden Versammlungsverbote ausgesprochen. Flugblätter wurden beschlagnahmt, Verteiler festgenommen. Hausdurchsuchungen waren an der Tagsordnung.
Am 26. Mai 1952 hatten Bundeskanzler Adenauer und die Außenminister der USA, Großbritanniens und Frankreich seinen nVertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Mächten", Generalvertrag genannt und weitere Zusatzverträge unterzeichnet. Am 27. Mai 1952 folgten die Unterschriften unter ein Vertragswerk, das AVertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" (EVG) hieß. Zu ihr gehörten neben der Bundesrepublik Deutschland auch Frankreich, Italien, Holland, Belgien und Luxemburg.
Mit diesem Vertragswerk wurde die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland zementiert und das Territorium des Landes, sowie seine wirtschaftlichen, finanziellen und später die militärischen Potentiale der NATO-Doktrin des “Roll back" zur Verfügung gestellt.Synchron mit diesem Prozess muss man die ständige Ablehnung von Initiativen der UdSSR und auch der DDR sehen,-die auf die Schaffung eines einheitlichen, aber neutralen Deutschland abzielten.
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